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Glück und Egoismus - Gedanken von Sigurd Roscher

Wieviel Egoismus braucht mein Glück?

Vor einigen Jahren auf der Grafikdesignschau Regensburg (dere10) habe ich einen Vortrag von Stefan Sagmeister gesehen. Der Titel des Vortrages hieß happiness. Dazu gibt es mittlerweile auch einen Film von ihm. Bei dem Bildvortrag ging es hauptsächlich um seinen Werdegang und seine Suche nach Glück. Es schien, als hätte er für sich einen Weg gefunden, oder wäre auf einem ganz guten Weg dahin. Für mich funktioniert dieser aber nicht so richtig. Ich hab mich damals schon während dem Vortrag gefragt, besser gesagt ist mir aufgefallen, dass Glück, also das eigene Glück, und Egoismus in einem engen Zusammenhang stehen.

Es heißt ja immer, man soll sich selbst verwirklichen, sein Ding durchziehen. Aber immer wenn ich genau das mache, bleibt irgendetwas oder irgendjemand anderes auf der Strecke. Für Kompromisse ist bei diesem Ansatz wenig Platz. Als Jugendlicher habe ich meinen Egoismus im Graffiti ausgelebt. Dabei waren mir die Anderen, also diejenigen, denen ich mich aufgezwungen habe, als auch meine Pflichten in der Schule, egal. Als Jugendlicher scheint das alles auch ganz gut zu funktionieren. Bin ja schliesslich bis hierher gekommen. Jetzt bin ich Vater und kurz vor dem 40. Geburtstag. Jawoll, da bimmeln die Midlifecrisis-Glocken ganz schön laut. Ich habe also gut die Hälfte meines Lebens schon rum, will mich aber nicht damit zufriedengeben meine Bedürfnisse zurückzuschrauben und alle Kraft und Hoffnung in meine Kinder zu stecken.

Ich will malen, schreiben und Musik machen.

Und das den ganzen Tag. Blöderweise kann ich mir davon nichts zum Essen kaufen, da ich mich in meinem egoistisch kreativen Freiraum keinen konsumgefälligen Regeln unterwerfen will. Sprich meine Arbeiten gefallen nur sehr wenigen Menschen, die obendrein meisst nicht das Geld haben, um es gegen ein Bild von mir zu tauschen. Ich muss also Geld verdienen, was beim Design zum Glück sehr Nahe an dem liegt was ich in meinen freien Arbeiten mache. Ich muss die Kinder miterziehen und ich muss mich am Haushalten beteiligen. Die Kindererziehung mache ich gerne, den Haushalt nicht. Von meinen Kindern bekomme ich sehr viel zurück. Der blöde Haushalt gibt mir immer nur neuen Dreck, Verschleiss und Sisyphusarbeit.

Ich will feiern, aber nicht den Kater ertragen. Ich will real life socializen, aber nicht immer die Kinder mitschleppen. Ich will meine Ruhe, aber auch mit meinen Kindern spielen. Ich habe Gedanken während ich mit meinen Kindern spiele. Will ich dann noch mit meinen Kindern spielen, oder will ich meine Gedanken festhalten? Ein ewiges hin und her. Ich will alles und nichts. Dabei weiss ich genau was ich will und was ich nicht will. Es sind vielmehr die konkurrierenden Wollens, die mich zermürben.

Manchmal frage ich mich, ob Menschen, die genau wissen was sie wollen und dies ohne Rücksicht auf Verluste umsetzen, glücklicher sind? Oder vielleicht Menschen, die überhaupt nichts wollen? Was mir sehr langweilig erscheint. Ich weiß nur, dass ich zu keiner der beiden Gruppen gehöre und dass ich noch länger in dieser Zwickmühle stecken werde. Ein hin- und hergerissen sein zwischen: ich will dies und das und meist erstickt als Resultat daraus der kreative Wille und Tatendrang in einer lähmenden Unentschlossenheit.

Ich werde wohl solange zwischen Wollen, Müssen, Befindlichkeiten Andere und der dazugehörigen Zeit jonglieren müssen, bis ich einen verträglich egoistischen Kompromiss gefunden habe.

Fotos mit dem Händy ohne Filter von mir an einem tollen Tag.

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